Mir kommt ja oft vor, dass das Thema „körperliche Fitness“ bei Dressurreitern ein Tabuthema ist. Immer wenn ich mal schüchtern wo anmerke, dass das reiterliche Problem möglicherweise ein Kraftproblem ist, weil man sich nur grad halten kann, wenn die Rumpfmuskulatur die Munition hat das auch zu tun, dann ernte ich neben Unverständnis häufig noch den mitleidigen Blick, dass ich offensichtlich nicht gesehen hätte, dass die Reiterin ja eh nicht dick ist und somit gar keinen Sport machen müsste. Aha… Jetzt muss ich mal ehrlicher sein, als das wahrscheinlich üblich ist. Vor allem auf Facebook. Über mich selbst. Bei mir war das mit der Fitness so… Ich war als Kind wahnsinnig sportlich und beweglich – ein Bewegungstalent eben. Ich konnte alles, was andere nicht konnten, und auch noch mühelos und nur mit ansehen und nachmachen. Ich konnte beim Lernen für die Matura zwischendurch im Garten ein paar Flics und Saltos springen ohne mich dazu groß anzustrengen und ohne es so richtig gelernt zu haben. Tsukahara hab ich nimmer durchschaut – das sind schon sakrisch viele Drehungen in verschiedene Richtungen. Ich hab den rumänischen Turnern in Fernsehen zugesehen und dann versucht ob ich das auch kann. Manches konnte ich, manches nicht, das war manchmal schmerzhaft oder einfach ärgerlich oder eh wurscht. Man gewöhnt sich da schnell dran, dass einem körperliche Übungen einfach leicht fallen und durch das Ausführen Derselbigen hat man natürlich eine gewisse Fitness, vor allem Kraft. Wenn man den Handstand häufig ausführt hat man mehr Kraft auf den Händen zu stehen, als wenn man das nie macht. Da braucht man gar keine mathematische Gleichung dazu. Das Bewegungshirn merkt sich die Ausführung der Bewegungen. Kraft und Beweglichkeit müssen halt vorhanden sein, dass die Muskeln auch ausführen können, was das Hirn ansagt. Die sind grundsätzlich eh willig, ja, sogar konkret dafür vorhanden. Wenn vorhanden. Beim Reiten war das auch ganz praktisch: weil ich einfach relativ lange oben blieb, weil ich´s halt balancieren konnte. Ich war allerdings immer schon kein Freund vom Kontrollverlust. Ich mag´s nicht, wenn die Zossen mit mir rumrennen oder bocken und ich hab keinen Einfluss darauf. Das nennt man dann feig, weil man versucht diese Situationen zu vermeiden, eventuell sogar durch Nachdenken. Ich hab natürlich gelernt, dass ich relativ lang oben bleib, zumindest länger als die meisten anderen, und auch die Kontrolle häufig wieder zurück erlange. Aber gebraucht hab ich den Kontrollverlust nie. Wenn ich´s durch vorher nachdenken vermeiden kann, dann hab ich das immer schon so gemacht. Wahrscheinlich bin ich auch da die einzige, die das mit dem Buckeln nicht mag? Zumindest eine von denen, die das offen sagen kann. Geritten bin ich als Jugendliche alles, was ich erwischt habe, sonst hätt ich ja nichts zu reiten gehabt. Ich hab halt immer geschaut, dass ich zerst mal oben sitzen bleib und dann mal schau wie man´s locker durch´s Genick kriegt. Bewegungen, die man häufig ausführt sind gut gelernt und Kraft die man häufig aufwendet ist auch trainiert und somit vorhanden. Ein Bereiter, der 12 Pferde am Tag reitet, hat wahrscheinlich eine andere Griffstärke als ein Buchhalter. Der Bereiter merkt´s auch länger nicht, dass ihm der Zosse schon 3x gegen die Hand gerannt ist. Weil die Hand das ganz leicht einfach stabilisieren kann. Schließlich rennen ihm 12 Pferde jeden Tag 3 x gegen die Hand. Deswegen muss er sich auch nicht drüber aufregen, weil es ihn eh nur unwesentlich stört. Wen das jedes Mal aus dem Sattel katapultiert, der regt sich natürlich auf, dass das Pferd das mit ihm macht. Wer einfach sitzen bleiben kann, bleibt einfach sitzen. Bei mir war das dann einfach so, dass ich irgendwann nicht mehr 20 war und sich 3 Stunden Sport jeden Tag einfach nicht mehr machen ließen. Das geht wahrscheinlich auch nur mir so? Und dann sitzt man im Büro und rechnet Statistiken. Die Mausbewegung ist die höchste Aktivität. Mit Stöckelschuhen zur U-Bahn rennen war auch eine echte körperliche Anstrengung. In meiner anschließenden Selbstständigkeit als Trainer wurd ich natürlich wieder beweglicher und bin auch mehrere Pferde am Tag geritten und wenn´s ging auch noch gelaufen. Aber Laufen bewegt einen zwar, aber es bringt kein Bewegungsgeschick. Man trottet dahin und war zumindest nicht faul. Sonst nix. Wenn dann noch eine Phase dazukommt, wo man sich den Großteil des Tages damit beschäftigt die Wohnzimmerwand anzuschauen – hat´s wahrscheinlich auch nur bei mir gegeben? - dann ist man wirklich körperlich nicht mehr besonders fit. Ein Pferd am Tag zu reiten, oder mal ein zweites, ist ja nett, aber kein Sport. Man arrangiert sich. Das Bewegungshirn glaubt aber weiter, die Bewegungen zu kennen und schafft sie den Muskeln an. Aber die machen nur große Augen und meinen, dass sie den Befehl schon ausführen würden, wenn sie denn in ausreichendem Maß vorhanden wären… Geht wahrscheinlich nur mir so? Dann hat ich mein Schlüsselerlebnis beim Pferde ausprobieren in Hamburg letztes Jahr. Ich wollt eine 4 jährige Stute rundumreiten, die ganz toll war. Aber die zog mich einfach aus dem Sattel, weil sie vorn draufgebüffelt ist. Und ich hatte den Eindruck am Katapult zu sitzen, weil ich einfach nicht ins Lot kam. Die tat aber nix Böses. Ich konnt nur nicht ausbalanciert sitzen bleiben. Mein Bewegungshirn meinte zwar, man müsst sich jetzt einfach nur am Hintern setzen, aber irgendwie ging das nicht. Die war so stark vorne, dass sie mich einfach aushob. Das war wieder mein Lieblingsgefühl vom Kontrollverlust. Ich hatte aber den Eindruck, dass das an an nix Anderem als an mir und meiner mangelnden Fitness liegen kann. Ich konnt das Pferd nicht stabilisieren. Und dann bekommt man Angst…. Schlicht und einfach. Dann wollt ich nur mehr mäßig gerne junge Pferde reiten, weil ich einfach nicht schnell genug und bewegungskompetent war. Das könnte man jetzt auf die Tatsache schieben, dass ich nun schon mehrmals 37 geworden bin. Geht wahrscheinlich auch nur mir so? Das fand ich aber unbefriedigend und das war der Punkt an dem was geschehen musste!
Dann hab ich einfach bei Crossfit Rawsome in Bergheim eingecheckt. Ein Fitnessstudio der anderen Art. Da geht´s um effizientestes Krafttraining und Bewegungsgeschick in vielen verschiedenen Aufgaben, wie zum Beispiel Klimmzüge mit Kippschwung, oder Seilklettern (ich mag dieses kratzige Seil nicht!) oder wirklich im Handstand laufen oder sogar Liegestütz im Handstand stehend (ja das geht! Aber es ist zaaach!). Aber das wesentliche an diesem Crossfit ist, dass immer ein Trainer die Einheit leitet und wirklich jeden Griff und Schritt ansagt und erklärt (sogar so, dass auch Blonde das verstehen!) und auch immer Abwandlungen jeder Übung hat, wenn man eben noch nicht so im Training ist und etwas nicht ausführen kann. Es gibt für jeden eine individuelle Variante jeder Übung, von leicht bis schwer. Und das genialste ist eigentlich, dass ich da nur hingehen muß und dann sagt mir wer 75 Minuten lang, was ich tun soll. Und das brauch ich dann nur zu tun! Wie simple! So geht es meinen Schülern, die viel bei mir reiten, die brauchen sich nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, weil ich mir die Lösung überleg und sie machen´s dann einfach und wenn was nicht geht, muss ich mir was überlegen. Und so ist das beim Crossfit: ich geh da hin und mach, was die mir sagen und dann paßt das auch! I´m loving it! Ich sag´s wie´s ist: ich kann mich nicht mehr selber durch ein Krafttraining quälen – ich hab das lang gemacht, aber ich kann nicht mehr! Es geht wahrscheinlich nur mir so und keinem anderen, der schon ein paar mal 37 geworden ist? Dankbarer Weise gibt´s dort viele Leute, die schon 37 sind! Aber ich sag´s euch: der Muskelkater in den ersten 3 Monaten war höllisch! Ich konnt oft nur auf allen Vieren die Treppe hochsteigen. Ich mußt mich zum Proseccoglas runterbeugen, weil ich´s nicht hochheben konnte, nicht aus Mangel an Tischmanieren. Ich konnt mich manchmal nichtmal auf einen Sessel setzen, weil ich einfach hingeplumpst bin, weil die Oberschenkel so weh taten. Ob sich nicht mancher Schüler gedacht hat, dass es mit mir jetzt wohl bald vorbei sein wird, so wie ich patschert dahersteig. Davon hätt sich so mancher vielleicht was versprochen. Allerdings sollte man als Schüler nicht davon ausgehen, dass das was nachkommt, besser ist. Es könnte sein, aber es kann auch bled hergehen. So, nach 10 Monaten Crossfit kann ich jetzt schon mindestens einen strikten Klimmzug, kann Kipping Pull ups (zumindest ganz wenige), ich bring jetzt richtige Liegestütz zsam (keine solchen die irgendwelche Alibihandlungen von Restmuskeln meiner Oberarme sind), ich heb jetzt schon 80 kg vom Boden hoch (deadliften für Insider, mit „dead“ fühlt man sich öfter konfrontiert, aber es wird alles wieder gut). Die Handstände mögen meine Handgelenke nicht, aber wenn man sie gut einbindet geht auch ein bisserl was. Schließlich haben meine Handgelenke schon ein paar km Flic Flacs drauf und auch ein paar Kilometer büffelnde Zossen. Ein ganz wesentlicher Aspekt für uns Reiter ist auch die Griffstärke am Zügel. Einfach was festhalten können, auch wenn´s einem grad massiv aus der Hand gerissen wird – ist toll. Mein Märchenpferd findet es ganz interessant, aber neuerdings diskutiert er mit mir nicht mehr über den Zügel?! Er diskutiert einfach nicht mehr… fast nicht mehr. Zumindest bin ich immer Sieger – ohne mich aufzuregen. Ich bleib nur sitzen und lass die Hand dran. Total elegant. Sieht für VomBodenAusStrickdreher nach „feinem Reiten“ aus. Dabei behalt ich bloß den Zügel in der Hand. Alles wird leichter, ich streng mich kaum noch an und sitz einfach grad. Und wißt´s was? Die Angst vorm Kontrollverlust ist wieder weg! Die jungen Pferde machen wieder mehr Spaß. 📷:-) Wahrscheinlich bin ich die Einzige bei der das Problem mit der Angst so zu lösen ist? Das mit dem Gradsitzen auch? Wahrscheinlich sollt man nie öffentlich so ehrlich sein, aber vielleicht kann ja doch irgendwer davon profitieren, dass er oder sie vielleicht der einzige außer mir ist, der mit 37 nicht mehr ganz so fit ist, wie es gut wäre. Oder möglicherweise hat es auch schon mal 16jährige gegeben, die nicht grad sitzen bleiben konnten, denen die Pferde die Zügel aus der Hand nahmen, oder die nicht vorwärts kamen, weil es das Pferd nicht bemerkt hat, dass es vorwärts soll.
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